Mit Reggae gegen den Winter

Konzertkritik: Caroline Chevin im Papiersaal
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Ein dunkelhaariges Mädchen sitzt in der ersten Reihe, direkt am Bühnenrand, auf einer Kiste. Sie ist geschätzt elf oder zwölf Jahre alt, trägt einen hellen Schaal, ein T-Shirt und eine dunkle Jacke. Interessiert und wie gebannt verfolgt sie mit grossen Augen jede Bewegung von Caroline Chevin auf der Bühne. Überhaupt sind bemerkenswert viele sehr junge Zuschauer im Publikum. Die eine oder andere Familie hatte wohl die Idee, den Karfreitag gemeinsam im Papiersaal zu verbringen und den Klängen der Wahlzürcherin Chevin zu lauschen.

 

Wobei Lauschen das falsche Wort ist, denn auf Tanzen, Klatschen, Wippen, Schwelgen und Singen verzichten nur diejenigen, die einen Platz auf den gemütlichen Sofas, die links und rechts der Bühne stehen, ergattern konnten. Aber dort lässt sich ja auch so herrlich in der Musik versinken und zuhören, wie Nori Rickenbacher am Schlagzeuger stoisch seine Rhythmen haut und gelegentlich ausbricht, aber immer gekonnt ein Fundament legt. Oder man schaut Hannes Bürgi am Keyboard zu, wie er die Hände gekonnt über die Tasten flitzen lässt.

 

Bequemer ohne Schuhe 

 

Caroline zeigt sich während des Konzertes sehr wandelbar. Mal gibt sie die Rockröhre, kann aber im nächsten Moment scheinbar mühelos die leisen Töne anschlagen, wenn sie beispielsweise ganz alleine singt. Sie bluest zwischenzeitlich und beherrscht genauso versiert den Pop, aber in ihrer Seele ist Caroline Chevin eine Geschichtenerzählerin, egal wie die Verpackung klingt. Wie viel Freude ihr das Vermitteln ihrer oft persönlichen Texte bereitet, strahlt sie von Beginn weg wortwörtlich aus. Und persönliche Bühnengewohnheiten kennt sie auch: «Ich komme nie in Schuhen über den vierten Song hinaus», schimpft Caroline mit sich selbst und wirbelt auch schon barfuss über die Bretter. 

 

Die Show im Papiersaal ist das dritte Konzert der Tour zum dritten Soloalbum «Hey World». Was Caroline Chevin der Welt zu sagen hat, lässt sich zwischen den Zeilen ihrer Songs gut lesen. Es geht um schwere Verluste, aber auch um glückliche Momente. Im Grunde um das Wechselspiel des Lebens. Das Set besteht aus vielen Songs vom aktuellen Album, aber auch aus älteren Stücken. So ist etwa «Whatever It Takes» - «Der erste Song von mir, der je im Radio gespielt wurde», wie Caroline erklärt und den sie alleine mit Hannes Bürgi spielt - genauso im Set wie ihr grosser Hit «Back In The Days»; Erst als Reggae-Version angespielt um den Winter zu vertreiben, um bald in die bekannte Rhythmik zu kippen. Und natürlich durfte die neue Single «Hey World», aktuell der meistgespielte Song bei SRF3, nicht fehlen. 

 

Viel Abwechslung im Set und gute Stimmung im Saal

 

Das Quartett um Caroline - neben Rickenbacher am Schlagzeug und Bürgi am Keyboard stehen Urs Müller an der Gitarre und Andi Schnellmann am Bass mit auf der Bühne - zeigt sich als gut eingespieltes Team. Die Songs klingen live sehr gut und die Band hat Spass an der Sache. Trotzdem bleibt Zeit für ausgiebige Improvisationen beziehungsweise Instrumentalparts. Im Papiersaal stimmt ziemlich viel und selbst auf hohem Niveau lässt sich kaum meckern. Warum auch? Caroline und ihre Band sind bereits beim dritten Konzert der Tour sehr gut aufeinander eingestellt und präsentieren sich als sympathische Band, die viel Abwechslung ins Set und noch mehr Stimmung in den Saal bringt.

 

Als Carolines letzter gesungener Ton verklingt, lächelt das Mädchen mit dem Schal zufrieden. Ob es ihr erstes Konzert überhaupt war, bleibt ihr Geheimnis. Das letzte war es sicher nicht, denn seine Augen strahlen, als ob sie «Hey World» rufen wollten. Die Welt der jungen Konzertbesucherin scheint in Ordnung zu sein und die Stimmung, die sie ausdrückt, darf ruhig auf das gesamte Publikum übertragen werden. Das war ein gelungenes Konzert.

 

Caroline Chevin nahm sich kurz vor der Show Zeit für ein Interview mit Bäckstage. Das Video dazu folgt in Kürze.

Patrick Holenstein / Sa, 30. Mär 2013